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Ich habe eine DIS/kPTBS, aufgrund derer ich leider keine Maske tragen kann.
Noch bevor die Maskenpflichtt eingeführt wurde, nähte ich in der Ergotherapie Stoffmasken für mich und meine Angehörigen. Als ich sie das erste Mal im Bus aufsetze, bekam ich aufgrund meines Asthmas keine Luft, was wiederum Flashbacks und Intrusionen der PTBS/DIS auslöste. Ich probierte es noch ein paar Mal, aber es ging einfach nicht.


Als dann die Maskenpflicht eingeführt wurde und ich hörte, dass man sich aber ärztlich befreien lassen kann, ging ich sofort zum Hausarzt, um mir ein Attest (ibnsb. für die Fahrten zu meinen Therapien) ausstellen zu lassen. Dieser wusste darüber allerdings nichts und sagte, es gäbe keine Befreiungen und wenn das Attest dann hinterfragt würde, würde er dafür den Ärger kriegen. Daher stellte er ein Attest aus, welches eine Befreiung nur während der Therapie definierte. Er wolle ohnehin aufgrund meines Asthmas nicht, dass ich überhaupt noch das Haus verlasse (was ich im Übrigen behinderungsbedingt ohnehin schon nur für die Therapie tat). Ich nutzte dieses zwar, immer mit dem Hintergedanken, dass wenn ich im Bus angesprochen würde, dass das ja nicht allgemein formuliert und damit nicht gültig wäre, ich sage, dass ich auf dem Weg zur Therapie sei und wenn ich in der Therapie keine Maske tragen kann, dann auch davon auszugehen werden muss, dass ich es auch auf dem Weg dort hin nicht kann, aber ja irgendwie dahin kommen muss.


Ich hatte mit der Formulierung des Attestes zwar im Großen und Ganzen keine Probleme,die Angst dafür angefeindet zu werden, war aber ein ständiger Begleiter.
Mit der Formulierung des Attests bekam ich erst ein richtiges Problem, als ich Mitte 2020 in eine Klinik gehen wollte. Nach Erhalt des Aufnahmetermins schickte ich vorab schon einige behandlungsrelevante Unterlagen hin, u.a. die Befreiung zur Kenntnisnahme.
Ich bekam daraufhin keine Rückmeldung, weshalb ich zur Aufnahme in dem Glauben kam, dass das schon in Ordnung wäre mit dem Attest. Ich hatte sogar eine halbe Woche vorher noch abgeklärt, ob meine Begleitperson noch mit zur ärztlichen Aufnahme kommen kann und da das nicht möglich war, dass es dann bei einer Ärztin und im Beisein einer Pflegerin sei. Da das Attest auch in dem Telefonat nicht angesprochen wurde, ging ich davon aus, dass es akzeptiert wird.


Meine Begleitperson brachte mich noch bis zur Tür und wartete, bis ich von einer bereits bekannten Pflegerin in Empfang genommen wurde, und machte sich dann wieder auf den 2 1/2 stündigen Rückweg. In der Klinik wurde mir dann gesagt, dass eine Behandlung ohne Maske nicht möglich sei. Zur Abklärung wurde die Leiterin der Klinik angerufen, die mich am Telefon richtig zusammenschrie. Ich machte darauf aufmerksam, dass ich das Attest ja vorher eingereicht hätte und sie mir das hätten vorher sagen können. Darauf meinte sie, das hätten sie nicht, da das Attest ja explizit nur für die ambulante Therapie gelte und daher ja klar war, dass das für die Klinikbehandlung irrelevant wäre.


Ich wurde aus dem Klinikgebäude geworfen, und musste auf der Bank vor dem Klinikeingang warten, bis die Begleitperson, die inzwischen schon wieder im Zug saß, aus- und umgestiegen war und wieder zurückkommen konnte. Dies dauerte weitere 2 Stunden, während denen ich dissoziiert, desorientiert und in einem kindlichen Zustand weinend auf der Bank lag, während an mir unzählige Patient:innen und Personal vorbeigingen.


Als die Begleitperson an der Klinik angekommen war, bat sie darum, mit der Klinikleiterin zu sprechen. Der Begleitperson wurde ein Telefon mit der Leiterin rausgebracht und wurde von ihr durchs Telefon angeschrien, dass wir die Klinik hätten unterwandern wollen mit meinem „gefälschten“ Attest. Auf den Erklärungs- und Schlichtungsversuch der Begleitperson legte die Klinikleiterin einfach auf.


Eine weitere richtig schlimme Erfahrung habe ich im Zug während der Fahrkartenkontrolle machen müssen. Der Schaffner akzeptierte mein Attest nicht, weil darauf kein Arztstempel ist. Mein Hausarzt hatte das Attest jedoch unterschrieben und auch der Name und die Anschrift des Arztes standen darauf. Auch meine Begleitperson versicherte, dass das Attest echt ist. Der Schaffner unterstellte uns jedoch weiterhin, dass das Attest eine Fälschung sei. Zu diesem Zeitpunkt war die gesamte Situation schon hochgradig
belastend und hatte meine PTBS-Symptome so getriggert, dass ich in einen kindlichen Zustand wechselte, nicht mehr ansprechbar und in der Gegenwart orientiert war. Der Schaffner forderte uns auf den Zug zu verlassen und drohte andernfalls mit Polizeieinsatz und hohen Kosten für uns. Er nahm weder Rücksicht auf den Hinweis meiner Begleitperson, dass ich aus Krankheitsgründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen kann, noch auf die deutliche Verschlechterung meines Zustandes ausgelöst durch die Situation.

Die anderen Fahrgäste fühlten sich von dem Konflikt anscheinend so gestört, dass sie sich einmischten und uns anschrien, ich solle doch jetzt einfach die Maske aufsetzen, um den Stress zu beenden. Meine Begleitperson entschied, den Zug mit mir zu verlassen um die weitere Belastung für mich zu minimieren. Im Nachhinein haben wir [Anm.: Begleitperson und Betroffene] uns allerdings geärgert, es nicht ausgesessen zu haben, da wir nach Abklärung mir der Landesbehindertenbeauftragten unseres Bundesländer auch ohne Stempel mit dem Attest im Recht gewesen wären. Damit hätten wir ein Exempel schaffen können. Aber dafür ist natürlich auch nicht immer die Kraft da und der gesundheitliche Schaden doch größer, als der Nutzen eines solchen Exempels.
Daraufhin ließen wir [Anm.: Person mit Dissoziativer Identitätsstörung, plural] uns ein allgemeingültiges Attest von unserer Therapeutin ausstellen und später auch ein Attest für die vorgezogene Coronaimpfung.


Auch im ÖPNV machten wir regelmäßig diskriminierende Erfahrungen. Dabei gingen diese allermeistens vom Personal und seltenst von Fahrgästen oder Passant:innen aus. Wir wurden zwar nicht nochmal rausgeschmissen, da in Bussen und Bahnen die Beförderungspflicht gilt, Angst vor Auseinandersetzungen haben wir trotzdem bis heute.
Geschäfte mieden wir komplett aus Angst vor Diskussionen und Rauswurf, da Geschäfte, außer solche die für den täglichen Bedarf notwendig sind, mit ihrem Hausrecht Atteste ablehnen dürfen. Wir waren bis zur Aufhebung der Maskenpflicht in Innenräumen höchstens 5x und immer in Begleitung einer Helferperson in einem Supermarkt, in dem wir bekannt sind. Auch unsere Stammapotheke, wo wir unsere Medikamente holen ließ uns nicht mehr rein, obwohl sie eigentlich unter die Geschäfte fällt, die für den täglichen Bedarf
notwendig sind. Dort müssen wir draußen warten und hoffen, dass wir gesehen werden, eine:n andere:n Kund:in bitten, uns „anzumelden“, oder in den Laden hineinrufen, dass wir bedient werden möchten.


Auch bei diversen Ärzt:innen wurden und werden wir nicht mehr behandelt. Wir haben die Schilddrüsenerkrankung Hashimoto und müssen eigentlich regelmäßig in einer nuklearmedizinischen Praxis vorsorgeuntersucht werden. Dort werden wir seit 2 Jahren nicht mehr behandelt mit der Aussage, ich müsse warten, bis die Maksenplicht fällt, es ginge nur im Notfall und dass bei der letzten Untersuchung (Anfang 2020) die Ergebnisse unauffällig waren. Wir verstehen nicht, wie man aus 2 Jahre alten Untersuchungsdaten schließen kann, dass keine Untersuchungsnotwendigkeit besteht, wenn ansonsten angeraten wird, halbjährlich zur Vorsorge eine Untersuchung durchzuführen. Auch dort wurde uns in Beisein der ambulanten Betreuerin gesagt, dass wir nicht behandelt werden, wenn wir die Maske nicht aufsetzen WOLLEN. Erst nach massiver Dekompensation, Dissoziation und Wechsel in kindliche Anteile wurde verstanden, dass es evtl. doch nichts mit „wollen“ zu tun hat, dass wir keine Maske tragen.


Aufgrund der umfassenden Maskenpflicht wird uns außerdem seit Beginn der Pandemie von zahlreichen Fachkliniken für Komplextrauma und Dissoziatioven Störungen in verschiedenen Bundesländern die schon seit 2018 indizierte Behandlung verweigert. Die Kliniken dürfen sich nämlich laut Infektionsschutzgesetz wie die Einkaufsläden auf ihr Hausrecht berufen und Atteste ablehnen. Grade, dass es sich dabei um Fachkliniken handelt, die wissen müssten, dass und wieso DIS- und PTBS-Betroffene oft keine Maske tragen können schockiert mich. Andererseits sind die Wartelisten so voll, dass die Kliniken auch ohne die maskenbefreiten Betroffenen kein Problem haben ihre Betten zu füllen.


Nach fortschreitender Destabilisierung durch die fehlende Behandlung wurde uns außerdem mehrfach die Behandlung in der zuständigen Akutpsychiatrie verweigert. Die einzige Möglichkeit die es gegeben hätte, wäre ein Aufenthalt auf dem Zimmer, Zudröhnen mit Medikamenten oder eine Zwangseinweisung gewesen, weil sie diese auch ohne Maske nicht hätten verweigern dürfen. Da traumabedingt Psychiatrie für uns aber eigentlich ohnehin schon nicht infrage kommt und nur aus Mangel an Alternativen in Betracht gezogen wurde, kam dies nicht infrage.
Aufgrund des fehlenden und ausreichend intensiven stationären Therapie konnten auch die ambulanten Stunden nicht sinnvoll und zielführend genutzt werden, da diese den viel höheren und akuten Bedarf garnicht decken konnten. So haben wir durch die Kliniksituation nun unsere kompletten Langzeittherapiestunden aufgebraucht und stehen nun komplett ohne Therapie da und werden immer instabiler.


Die ambulante Betreuung hat uns nun auch noch gekündigt, weil sie den enormen Unterstützungsbedarf nicht mehr leisten konnten, der u.a. nur aufgrund der ganzen Klinikablehnungen und fehlenden Behandlung der letzten Jahre überhaupt so hochgeworden ist.
Auch bei dem abklappern weiterer Kliniken von unserer Liste mit Fachkliniken wollten sie uns nicht helfen, weil es nicht angemessen wäre, so viele Kliniken anzufragen. Ich solle mich mal zufrieden geben mit dem was ich hätte. Dass die Liste nur so lang ist, weil 99% der Kliniken die Behandlung ablehnen und ich einfach garkeine Behandlung habe mit der ich mich zufrieden geben könnte, haben sie nicht verstanden.


Vor 1 1/2 Jahren hatte uns unserer vorheriger ambulanter Betreuungsdienst bereits gekündigt, weil sie sich während Corona geweigert hatten mich ohne Maske in Person und in meiner Wohnung zu betreuen. Das wäre eine Vorgabe des Kostenträgers. Es wurden Telefonate oder Spaziergänge angeboten, was aber beides persönliche Termine in der Wohnung z.B. Bearbeitung von Anträgen nicht ersetzen kann. Außerdem ist es mir traumabedingt nicht möglich viel übers Telefon und über Video schon garnicht zu reden.
Auf Nachfrage zu dieser Vorschrift beim Kostenträger erhielt ich die Kündigung vom Betreuungsdienst, da man mir ja Betreuung angeboten hätte und ich diese nicht wahrnehmen wollte.
Für mich ist es absolut schrecklich zuzusehen, wie die Maßnahmen in allen Lebensbereichen nahezu komplett aufgehoben werden und ein Ende der Pandemie und der Maskenpflicht damit in weite Ferne rückt, gleichzeitig aber Behandlungen verunmöglicht werden, wenn keine Maske getragen werden kann. Dabei habe ich diverse Vorschfäge gemacht, wie ich auch ohne Maske einen Schutz gewährleisten könnte: PCR-
Test ist ohnehin i.d.R. vor Aufnahme Pflicht, tägliches Testen, Abstand halten, Einzelzimmer (krankheitsbedingt für uns ohnehin notwendig), Ausgangsbeschränkungen, nicht in Geschäfte o.ä. gehen, Besuchsverzicht. Alles wurde abgelehnt, während insb. diesen Sommer alle fröhlich ohne Masken ein Coronaende gefreiert haben und die „Freiheit zurückfordern“.


Dabei wurden teils absurde Angebote oder Bedingungen von den Kliniken gemacht:
eine Klinik hat angeboten, statt einer medizinischen Maske einen Schal zu tragen. Für mich ist psychisch ein Schal vorm Gesicht ähnlich schlimm wie eine FFP2 Maske. Rein medizinisch schützt der Schal allerdings so gut wie gar nicht vor Corona.
Eine andere Klinik akzeptiert nur ärztliche Atteste bei Lungenerkrankungen. Dies suggeriert, dass nur, wenn man aufgrund einer Lungenerkrankung „wirklich“ nicht atmen kann, dies ein legitimer Grund sei keine Maske zu tragen. Das schließt alle Menschen aus, die z.B. aufgrund psychischer Erkrankungen oder Epilepsie keine Maske tragen können.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Da es hierbei offensichtlich nicht um einen unumgänglichen Infektionsschutz geht, da ja Ausnahmen (bei Lungenerkrankungen) möglich sind, handelt es sich m.M.n ganz klar um eine Diskriminierung.
Abgesehen von der Verschlechterung unseres Gesundheitszustanden und unserer Symptomatik aufgrund der fehlenden Behandlung ist die Angst vor/Trigger durch Ärzt:innen und Medizinische Behandlungen noch schlimmer geworden. Ärzt:innen waren schon vor Corona ein großer Trigger für uns, aber nun ist es uns fast garnicht mehr möglich zu Ärzt:innen zu gehen, weshalb wir viele, eigentlich wichtige Behandlungen einfach aussitzen.


Wir können einfach nicht mehr.

(Anonym geteilt)

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