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Eigentlich wollten wir heute einen Beitrag dazu veröffentlichen, dass das Land Baden-Württemberg Ende Oktober die Maskenpflicht für Bewohner:innen in Pflegeheimen gekippt hat. Die Begründung dafür „Gemeinschaftsräume in Pflegeheimen sind als Wohnräume zu sehen“ und in Wohnräumen sollen Menschen keine Masken tragen müssen. Auch Betreute in Werkstätten für Menschen mit Behinderung müssen künftig keine Masken mehr tragen. Über diese Neuerung informierte das Gesundheitsministeruim des Landes die Einrichtungen am 28.10. schriftlich in einem Brief.

Argumente für die Neuerung sind zum Beispiel, dass unter den Bewohner:innen in Pflegeheimen kein großer Durchgangsverkehr herrscht, viele Bewohner:innen mehrfach geimpft sind und regelmäßig getestet werden.

Gleichzeitig werden Menschen mit medizinischen Maskenbefreiungen konsequent und umfassend von medizinischer Versorgung ausgeschlossen, obwohl für viele der betroffenen Einrichtungen die gleichen Argumente gelten. Grade stationäre Einrichtungen der psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Vor- und Fürsorge lehnen Betroffene, die aus gesundheitlichen Gründen keine oder nur eingeschränkt Maske Mund-Nasen-Bedeckungen tragen können seit mehr als 2 Jahren durchweg ab. Für die Betroffenen gibt es oft keine Alternative. Betroffen sind sogar die psychiatrische Notfallversorgung, sodass auch akut suizidale Patient:innen eine Behandlung verwehrt wird. Berufen wird sich dabei auf das Hausrecht, nach dem Privateinrichtungen selbst weitere Maßnahmen umsetzen könnten, die über die gesetzlichen Vorgaben hinaus gehen. Dadurch dürften sie sich auch über die gesetzlich geregelte Maskenbefreiung hinwegsetzen.

Die Bundesregierung sieht das anders. So teilte die Vorsitzende des Bundesgesundheitsausschusses einer Betroffenen im Namen ihrer Partei Bündnis 90/Die Grünen schriftlich mit, dass die Ausnahmen von der Maskenpflicht sich selbstverständlich auch auf Krankenhäuser und. Rehabilitationseinrichtungen beziehe und es hoch problematisch sei, wenn sich Gesundheitseinrichtungen über diese bundeseinheitliche Ausnahmeregelung durch ein fragliches Gebrauchtmachen des Hausrechtes hinwegsetzen und Menschen dadurch den Zugang zum Versorgungssystem verwehren.

Gleichzeitig schreibt sie allerdings, dass die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens allerdings den Ländern und Ärztekammern bzw. Gerichten obliegt. Dies wurde im Rahmen der geplanten FFP2-Maskenpflicht in Gesundheitseinrichtungen zum 1.10. im Gesundheitsausschuss diskutiert und man sei zu dem Schluss gekommen, dass kein Handlungsbedarf seitens der Regierung besteht.

Dabei ist es hoch problematisch, die Verantwortung den Ländern, Ärztekammern und Gerichten im Einzelfall zu überlassen. Denn die Auslegungen auf Länderebene weichen stark von der laut Berichterstatterin für das Thema seelische Gesundheit der Grünen-Fraktion so klar geregelten Ausnahme ab.

Schon seit 2020, lange vor Start des Projekt „Behandlung statt Ausschluss“ standen wir mit diversen möglichen zuständigen Stellen auf Länder- und Bundesebene in Kontakt und diese kommen alle zum gleichen Ergebnis: Die Entscheidung über eine Behandlung obliegt den Einrichtungen und von Seiten der Behindertenbeauftragten und Antidiskriminierungsstellen besteht keine Handlungsmöglichkeit und seitens der Ministerien besteht kein Handlungsbedarf:

LBBP NRW: „Wie Sie wissen, können Arztpraxen und Kliniken sich grundsätzlich auf ihr Hausrecht berufen. Wenn es sich nicht um Notfälle handelt, können wir nur um Verständnis werben und uns im Einzelfall für eine Ausnahmeregelung einsetzen.Eine grundsätzliche und anonyme Klärung ist nicht möglich, da die Arztpraxen und Kliniken nicht grundsätzlich verpflichtet werden können, Patienten zu behandeln, die von der Maskenpflicht befreit sind.“

„In einem Gespräch mit der Krankenhausaufsicht habe ich die Fachabteilung noch einmal für dieses Thema sensibilisiert. Leider ist derzeit der allgemeine Tenor, dass an der Maskenpflicht weiter festgehalten werden soll. Einzelfälle wie der Ihre sind dabei nicht mitbedacht worden.“

LBB Hessen: „Das Ihnen die Reha-Einrichtungen in Hessen eine Ausnahme zur Maskenpflicht bei stationärer Aufnahme verweigern, lässt die Vermutung zu, dass allein die Kliniken die Verantwortung für alle PatientInnen wie auch Bediensteten zu tragen haben. Dies dann auch in einem Akut- (Infektionsgeschehen) und in einem daraus resultierenden Streitfall und deshalb die von Ihnen benannten Kliniken nicht von den Vorgaben der Hessischen Landesregierung abweichen können.

Ich sehe es für Sie für am sinnvollsten, wenn Sie sich mit dem Kostenträger für Ihre Reha in Verbindung setzen, ob Ihnen eine entsprechende Behandlung in einer anderen für Sie geeigneten Klinik, mit Ausnahmemöglichkeiten zur Maskenpflicht, angeboten werden kann.“

Gesundheitsministerium Hessen: „Wenn einzelne Einrichtungen von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und Atteste, die bescheinigen, dass eine Maske nicht getragen werden kann, nicht akzeptieren, hat weder das Land noch der Bund hier eine Handhabe“

BFBMB BaWü: „Es handelt sich hierbei immer um Einzelfallentscheidungen, deshalb sollten Sie sich an die genannten Anlaufstellen oder direkt an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden und sich entsprechen beraten lassen.“

Antidistkriminierungsstelle Bund: „Man kann davon ausgehen, dass eine solche mittelbare Diskriminierung nicht vorliegt, wenn die ausnahmslose Durchsetzung dieser Pflicht aufgrund der Situation vor Ort und der Interessen aller Beteiligten insgesamt angemessen erscheint. Hier wird man je nach Situation zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Sofern ärztliche Behandlungen nicht unter Einhaltung eines körperlichen Abstandes durchgeführt werden können und der Arzt/die Ärztin sowie die Angestellten selbst zur Risikogruppe gehören oder ähnliche sachliche Gründe vorliegen, erscheint es angemessen und rechtlich zulässig, keine Ausnahme von der Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung zuzulassen.“

Dabei sticht besonders die Aussage des hessischen Gesundheitsministeriums heraus, da diese im direkten Widerspruch zur Aussage der Grünen-Abgeordneten steht, dass gesetzlich geregelt ist, dass die Befreiung auch für Gesundheitseinrichtungen gilt und nicht durch das Hausrecht ausgesetzt werden darf.

Es macht uns wütend, dass die Länder sich über diese klar geregelten Bundesvorgaben hinwegsetzen und es von keiner Seite möglich zu sein scheint, Handlungsanweisungen an die Einrichtungen zur Umsetzung der Befreiungsregelungen zu formulieren.

Dabei ist es uns enorm wichtig klarzustellen, dass es sich hierbei nicht um eine riesige Gruppe von Menschen handelt, welche die Maßnahmen grundsätzlich anfechten und aussetzen wollen. Es handelt sich dabei ganz im Gegenteil um eine kleine Gruppe schwer erkrankter und behinderter Menschen, die schwere gesundheitliche Reaktionen auf das Masketragen erleiden und deshalb legitime ärztliche oder therapeutische Befreiungen haben. Die Betroffenen tun oft freiwillig alles, um das das Infektionsgeschehen positiv zu beeinflussen und die Weiterverbreitung durch sie selbst zu verhindern. Sie testen sich freiwillig regelmäßig und vor sämtlichen Ärzt:innenterminen, obwohl Patient:innen von der Testpflicht eigentlich ausgenommen sind, achten auf Abstände, sind oft mehrfach geimpft, meiden Großveranstaltungen und bleiben bei den kleinsten Erkältungsanzeichen zuhause. Übrigens alles Argumente, wegen denen die Maskenpflicht für Bewohner:innen in Pflegeheimen in Baden-Württemberg gekippt wurde. Die Debatte um diese Neuerung, die von vielen Interessensvertreter:innen aber auch Politiker:innen als längst überfällig bezeichnet wurde, ist durchaus berechtigt und sinnvoll. Wir sind allerdings fassungslos und verzweifelt, dass das Thema Maskenbefreiungen weiterhin kollektiv vermieden und totgeschwiegen wird.

Gestern kam es dann allerdings zu einer weiteren Entscheidung, die uns zwischen Ungläubigkeit und Ohnmacht stehen lässt. Gestern wurde in vier deutschen Bundesländern entschieden, dass es ab dem 16.11. keine Isolationspflicht mehr für positiv Getestete geben wird. Der Gesundheitsminister Lucha von Baden-Württemberg, in dem neben Hessen, Schleswig-Holstein und Bayern ab Montag die Isolationspflicht wegfallen soll, sagte, dass es sich um ein Infektionsgeschehen handele, welches Normalität einnimmt und weswegen diese Maßnahmen nicht mehr erforderlich seien. Das ist nicht nur für vulnerable Gruppen, Risikopatient:innen und ihre Angehörige ein Schlag ins Gesicht. Für diese kann von Normalität keine Rede sein, wenn sie weiterhin und jetzt umso mehr täglich einem tödlichen Virus ausgesetzt sind.

Genauso schlimm ist diese Neuregelung für Menschen, die trotz legitimer medizinischer Maskenbefreiungen seit Jahren von teils lebenswichtigen Behandlungen ausgeschlossen werden. Viele Betroffene haben wegen der fehlenden Behandlung eine Verschlechterung ihrer Erkrankungen erleben müssen, sind sogar so schwer erkrankt, dass sie in die Arbeitsunfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit gerutscht sind. Von Normalität kann hier keine Rede sein!

Wie schon im Herbst durch den Wegfall nahezu aller Maßnahmen im öffentlichen Leben werden damit erneut die Einrichtungen der Gesundheitsvor- und fürsorge zu einer weiteren Verschärfung der Schutzmaßnahmen gezwungen um vulnerable Patient:innen ansatzweise zu schützen. Diese Logik unterliegt nicht nur dem Irrglauben, dass diese Risikogruppen sich nur in Gesundheitseinrichtungen aufhalten, es wird außerdem dazu führen, dass Betroffene mit Maskenbefreiungen noch weiter der Zugang zum Gesundheitssystem versperrt wird. Das ist bereits jetzt grade mal 6 Wochen nach Einführung der FFP2-Maskenpflicht deutlich zu spüren. Wurden Betroffene bisher noch punktuell bei Haus-oder Fachärzt:innen behandelt, häufen sich seit Oktober die Berichte von Betroffenen, die trotz Maskenbefreiung mindestens zum Tragen einer medizinischen Maske gezwungen wurden. Das wird sich sicher nicht bessern, solange im Interesse der Wirtschaft unter dem Deckmantel der Freiheit weiterhin Maßnahmen zum Schutz der vulnerablen Gruppen aufgehoben werden.

Deshalb bleibt uns weiterhin nur die Möglichkeit, aufzuklären, Erfahrungen zu teilen, mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen und ihnen einen Raum zu geben und immer wieder an die entsprechenden Stellen zu schreiben und nicht locker zu lassen, bis das Thema nicht mehr ignoriert werden kann!

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