„Hallo ihr,
wir [Person mit Dissoziativer Identitätsstörung, plural] haben schonmal unsere Erfahrungen mit der Maskenpflicht mit euch geteilt.
Wir haben vor Kurzem aber nochmal eine so krasse Erfahrung machen müssen, dass wir diese unbedingt mit euch teilen wollten.
Wir hatten kürzlich unseren ersten dissoziativen Krampfanfall, ein Symptom, von dem wir nie gedacht hätten, dass wir einmal davon betroffen sein könnten. Rückblickend können wir sagen, dass sich dieser schon seit Wochen und Monaten, seit dem (drohenden) Zusammenbrechen unserer ambulanten Versorgung mit Auslaufen der Therapiestunden angekündigt hat. Es lässt sich zwar nicht nachweisen, aber wir denken, dass sich unser Zustand nicht so verschlimmert hätte und es nicht zu den Krampfanfällen gekommen wäre, wenn wir in den vergangenen Jahren eine angemessene Behandlung erhalten hätten.
Wir hatten kürzlich (kurz nach dem ersten Krampfanlaff) ein Vorgespräch auf einer Traumastation in der zuständigen Psychiatrie. Diese hatte uns aufgrund der Maskenbefreiung zuvor ein Vorgespräch verwehrt, mit der Begründung, dass nur ärztliche Atteste bei Lungenerkrankungen akzeptiert würden, was uns suggeriert hat, dass Befreiungen zwar möglich seien, aber psychische oder andere Gründe für eine Befreiung nicht legitim sind, sondern lediglich bei Lungenerkrankungen, wenn man „wirklich nicht atmen kann“.
Wir haben uns dann Unterstützung von der Behindertenbeauftragten geholt, die erreichen konnte, dass die Geschäftsführung des Krankenhauses das OK für ein Vorgespräch ohne Maske gibt.
Wir können uns an den ganzen Termin kaum noch erinnern, sodass der Bericht hauptsächlich auf dem Gedächtnisprotokoll unserer Begleitperson beruht.
Vor Ort war das auch kein Problem und nach der Anmeldung an der Information konnten wir direkt auf die Station gehen, wo meine Betreuungsperson und ich von Der Oberärztin und dem pflegerischen Stationsleiter der Station empfangen wurden Diese führten auch das Gespräch und kontrollierten zunächst unsere negativen Schnelltests. Die Oberärztin wirkte von Anfang an so, als ob sie garkeine Lust auf den Termin hätte.
Sie stellten die Station und das Coronakonzept vor. Dabei betonte die Oberärztin mehrfach, dass wir ohne Maske auf jeden Fall auf der Station und der gesamten Klinik auffallen würden und es sehr schwer haben würden und erzählte, dass eine andere Patientin mit Befreiung die Behandlung wegen des ständigen Angesprochenwerdens abgebrochen habe. Die Ärztin betonte, dass dieser Druck durch das Herausstechen und ständige Angesprochenwerden sich bestimmt negativ auf die Behandlung auswirken würde, da wir uns dadurch bestimmt nicht vollständig auf die Therapie konzentrieren könnten. Es wirkte die ganze Zeit so, als wolle sie mir die Behandlung extra schlechtreden, damit ich mich bloß dagegen entscheide.
Wir waren durch die ganze Situation super eingeschüchtert und bereits in kindliche Anteile gewechselt, weshalb mein Partner/Betreuungsperson das Gespräch übernehmen musste. Er hat versucht, die akute Notlage aufgrund aufgebrauchter ambulanter Unterstützungsangebote und der seit Jahren fehlenden (stationären) DIS-Fachbehandlung wegen der Maskenpflicht darzustellen. Der Pflegeleiter war sehr nett und verständnisvoll für die geschilderte Situation, aber die Ärztin hat immer wieder kritische, abwertende Zwischenfragen gestellt. Irgendwann sagte sie, dass sie ja auch nur zum Vorgespräch ohne Maske von der Geschäftsführung gezwungen worden sei Der Pflegeleiter hat versucht, die Aussage besser einzuordnen und gesagt, dass unsere Befreiung anerkannt worden wäre und deshalb das Gespräch stattfinden kann.
Es wurde dann noch ein bisschen das Behandlungskonzept erklärt vom Pflegeleiter und er sagte, dass man zum Intervall wiederkommen kann um an das aufgebaute therapeutische Vertrauen anzuknüpfen und weiter zuarbeiten.
(ab hier setzen unsere Erinnerungen komplett aus)
Daraufhin sagte die Oberärztin: „Eine Therapie braucht ja Vertrauen auf beiden Seiten. Das ist ja jetzt denkbar schlecht, weil Sie mich zum Vorgespräch gezwungen haben mit dem ganzen Vorgehen über die Klinikleitung und die Beschwerde bei der Bezirksregierung. Jetzt sagen sie doch dazu auch nochmal was!“
Da fing ich an zu krampfen. Es folgen die Schilderungen des Partners: „Mir hat es kurz die Sprache verschlagen. Als klar wurde, dass die Ärztin trotz des einsetzendem dissoziativen Krampfanfalls eine Antwort erwartet, habe ich dann gesagt, dass es das gute Recht [der Betroffenen] ist sich als behinderte Person bei Behandlungsausschluss aufgrund der Behinderung an die Behindertenbeauftragte zu wenden und dass sich die Klinik eher fragen sollte, warum sie überhaupt die Behandlung verweigert hat. Ich gesagt, dass ich es sehr unprofessionell finde, einer traumatisierten Person solch einen Vorwurf zu machen, nur weil sie sich durch das Eingreifen der Beauftragten und die Klärung über die Geschäftsführung angegriffen fühlt. Die Ärztin rechtfertigte sich weiter, während [die Betroffene weiter krampfte. Ihr Krampfanfall besserte sich nicht, aber beide Behandler:innen haben sie ignoriert und die Ärztin hat weiter geredet. Ich habe sie dann gebeten, aufzuhören zu reden damit ich mich um meine Partnerin kümmern konnte. Ich konnte den Krampfanfall mithilfe von starken Reiz-Skills und Notfallmedikamenten soweit unterbrechen, um sie zu fragen, ob wir gehen wollen um die Situation schnellstmöglich zu verlassen. Ich weiß auch nicht mehr, was die Ärztin noch gesagt hat, weil ich mich meine Freundin gekümmert habe, nur dass sie sich dann an den PC gesetzt hat und etwas eingetippt hat. Als der Krampfanfall abebbte bot der Pflegeleiter dann immerhin noch etwas zu trinken an. Als wir gehen wollten hat er uns dann noch zum Ausgang begleitet und nett verabschiedet. Es kam mir so vor, als würde ihm die ganze Situation sehr leid tun. Ich habe zum Abschied nochmal gesagt, dass ich das Verhalten von der Ärztin unterirdisch fand und wir uns eine offizielle Beschwerde vorbehalten würden.
Insgesamt hatten wir während des gesamten Termins das Gefühl, dass die Ärztin von Anfang an eine sehr feindselige Haltung hatte und uns von Beginn an nicht behandeln wollte. Sie wirkte persönlich beleidigt, dass sie „gezwungen“ wurde das Gespräch mit uns zu führen. Leider sind wir wieder mal die Leidtragenden und haben durch dieses retraumatisierende Erlebnis erneut Vertrauen in Behandler:innen verloren.
Danke, dass ihr auf das Thema aufmerksam macht und Betroffenen eine Stimme gebt.“
(anonym geteilt)
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