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Sätze wie: „Warum trägst du keine Maske?„, „Ich finde das Masketragen ja auch unangenehm, aber da muss man sich eben mal zusammenreißen“ oder „Und was passiert, wenn du eine Maske aufsetzt?“ haben wir in den letzten Jahren unzählige Male gesagt bekommen. Von Familie oder Freund:innen, von Angestellten in Geschäften, dem ÖPNV oder Gesundheitseinrichtungen, sogar von wildfremden Menschen auf der Straße.

Viele Menschen wissen garnicht, dass es Erkrankungen gibt, bei denen das Masketragen zu einem Gesundheitsrisiko wird. Oder sie verharmlosen die Einschränkungen der Betroffenen mit Sätzen wie: „Ich bekomme unter dem Ding auch keine Luft, aber da muss man halt durch„. Denn für viele Betroffene ist es mehr, als schlechter atmen zu können, und es gibt deutlich mehr Erkrankungen und Behinderungen, die das Masketragen verunmöglichen. Wir haben hier einige Beispiele für euch gesammelt.

Asthma

Asthma bronchiale ist eine chronische und entzündliche Lungenerkrankung, die sich durch anfallsartige Atembeschwerden wie z.B. Kurzatmigkeit, Atemnot, Engegefühl und Schmerzen in der Brust äußert. Da das Masketragen die Atmung einschränkt, kann es insb. bei Asthma und anderen Lungenerkrankungen zu einer Verstärkung der Symptome und dadurch zu einer deutlichen Einschränkung im Alltag kommen. So können das Masketragen zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands führen, aber auch die Leistungsfähigkeit z.B. in der Schule oder bei der Arbeit deutlich einschränken. Daher haben einige Asthmapatient:innen ärztliche Befreiungen von der Maskenpflicht.

Angststörungen

Es gibt verschiedene Angst- und Panikstörungen, die sich in Art und Gegenstand der Angst unterscheiden können. Gemeinsam haben all diese Störungen aber, dass Angstreaktionen in eigentlich ungefährlichen Situationen auftreten. Die Angst steht dabei in keinem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung.

Betroffene können diese Angst sowohl psychisch, als auch körperlich spüren. Häufige Symptome dieser Angstreaktionen sind Atemnot, Kurzatmigkeit, Schwindel, Enge oder Schmerzen in der Brust, Derealisation, sowie Herzrasen. Vor allem Panikattacken äußern sich dadurch, dass bei Betroffenen die blanke Panik ausbricht und sie das Gefühl haben, gleich sterben zu müssen.

Diese Symptome können unabhängig von der Form der Angststörung sein und wie beim Asthma negativ durch die Maske beeinflusst werden, weshalb viele Betroffene auf eine Befreiung angewiesen sind. Von Angststörungen Betroffene sind häufig so stark in ihrer Alltagsfähigkeit eingeschränkt, dass sie nicht mehr das Haus verlassen, keine sozialen Kontakte aufrecht erhalten und oftmals nicht mehr arbeiten oder zur Schule gehen können. Die Minimierung angstauslösender Faktoren, wie die Maske durch eine Maskenbefreiung, kann dabei für die Betroffenen eine große Hilfe sein, sich wieder zu stabilisieren.

Traumafolgestörungen wie (K)PTBS

Die Posttraumatische Belastungsstörung ist eine Reaktion auf ein oder mehrere Erlebnisse, die von den Betroffenen als lebensbedrohlich empfunden wurde. Solche Erlebnisse werden Trauma/Traumata genannt. Kann das Trauma nicht verarbeitet werden, entwickelt sich eine PTBS. Dabei gibt es zwei Formen:

  • Die PTBS, die nach einem einzelnen einschneidenden, als lebensbedrohlich empfundenen Ereignis auftreten kann.
  • Und die komplexe KPTBS (komplexe Posttraumatische Belastungsstörung), die durch eine langanhaltende und/oder wiederholte Traumatisierung entsteht.

Beide Störungsbilder äußern sich u.a. durch diffuse Ängste, Flashbacks (Wiedererleben traumatischer Situationen), Dissoziation, Albträume, Panikattacken, u.m

Bei einer PTBS/KPTBS kann das Masketragen verschiedene Auswirkungen haben. So kann z.B. das Gefühl der Maske auf der Haut, oder die Atmungsbeeinträchtigung, bewusst oder unterbewusst an einzelne Aspekte früherer traumatischer Erlebnisse erinnern (z.B einer Vergew*ltigung). Auch das Sehen anderer maskierter Menschen kann diese Wirkung haben (z.B weil der Täter früher maskiert war) und die Betroffenen sehr stark triggern.

Das kann u.a. zu visuellen/bildhaften, körperlichen (z.B. Schmerzen, Druckgefühle, Atemnot) oder emotionalen Flashbacks führen. Das Auftreten solcher Flashbacks in öffentlichen Räumen, z.B. in der Stadt oder im Geschäft, kann die Betroffenen in Gefahr bringen, da die Wahrnehmung der Umgebung und auch möglicher Gefahren, wie dem Straßenverkehr, während eines Flashbacks zum Teil oder vollständig eingeschränkt ist. Zudem werfen Flashbacks die Betroffenen direkt in das traumatische Erlebnis zurück und sie erleben die traumatische Situation erneut.

Auch können vermehrt auftretende Flashbacks, hervorgerufen durch Masken, weitere Symptome der (K)PTBS hervorrufen und den psychischen Gesamtzustand der Betroffenen destabilisieren. Insb. im Kontext psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlungen können die durch das Masketragen hervorgerufenen Symptome eine Behandlung stark negativ beeinträchtigen oder sogar verhindern. Deshalb ist es für viele Menschen mit (K)PTBS notwendig, von der Maskenpflicht befreit zu werden, aber auch, dass bei ärztlichen oder therapeutischen Behandlungen das Gegenüber keine Maske trägt.

DIS und andere Dissoziative Störungen

Die Dissoziative Identitätsstörung ist eine Form der KPTBS, bei der es im frühen Kindesalter durch schwere, wiederholte oder chronische Traumatisierungen zu Abspaltungen (Dissoziation) der traumatischen Erlebnisse in verschiedene Persönlichkeitsanteile gekommen ist. Zum Schutz der Betroffenen vor den traumatischen Erfahrungen und Erinnerungen, haben die verschiedenen Anteile keine Erinnerungen an einander.

Auch bei der DIS und anderen traumabedingten dissoziativen Störungen kann das Masketragen und Maskesehen gravierende Auswirkungen haben. Neben den Reaktionen, die auch bei der KPTBS hervorgerufen werden, können weitere dissoziative Symptome hinzukommen. So können durch die Maske z.B. dissoziative Krampfanfälle oder Wechsel zu anderen, oft traumatisierten, kindlichen Persönlichkeitsanteilen hervorgerufen werden. Diese können wiederum körperliche und psychische Beeinträchtigungen mit sich bringen, wie dissoziative Schmerzen oder Bewegungsstörungen. Wie bei der PTBS/kPTBS können die ausgelösten Symptome die Betroffenen stark beeinträchtigen oder sogar in Gefahr bringen.

Sowohl bei der (K)PTBS, als auch bei der DIS und anderen Traumafolgestörungen kann die Art der Mund-Nasen-Bedeckung, die die genannten Symptome hervorruft, variieren. Das kann abhängig von der Person und dem erlebten Trauma sein. Einige Betroffene können gar keine Bedeckung von Teilen des Gesichtes bei sich und anderen tolerieren, andere ertragen es nicht eine bestimmte Art oder Farbe von Masken bei anderen zu sehen und wieder andere können z.B. medizinische Masken tragen, aber keine FFP2-Masken, da diese die Atmungsfähigkeit stärker einschränken.

Autismus

Der Begriff Autismus-Spektrums-Störung bezeichnet neurologische Entwicklungsstörungen. Diese äußern sich unter anderem in Störungen der Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung. Dabei sind häufig die Reizverarbeitung, die soziale Interaktion und die Kommunikation betroffen. Viele Autist:innen haben eine sehr sensible Reizverarbeitung und -wahrnehmung. So kann es vorkommen, dass Reize wie Geräusche, viele visuelle Eindrücke, aber auch Reize auf der Haut sehr viel extremer wahrgenommen werden, als bei nicht autistischen Menschen.

Durch die gestörte Reizverarbeitung kann es dadurch zu einer Überlastung kommen, die dann z.B. in einem Zusammenbruch oder einem völligen Abschotten von sämtlichen Reizen führen kann. Es gibt viele Autist:innen, die keine Mund-Nasen-Bedeckungen tragen können, da der Reiz der Maske auf der Haut zu einer solchen Überlastung führen kann. Außerdem ist es aufgrund der Schwierigkeiten soziale Interaktionen richtig einzuordnen für einige Betroffene wichtig, die Mimik des Gegenübers sehen zu können. Daher kann z.B. im Behandlungskontext wichtig sein, dass auch Ärzt:innen und Therapeut:innen keine Maske tragen.

Schwerhörig- und Gehörlosigkeit

Eine Schwerhörig- oder Gehörlosigkeit kann durch eine Vielzahl von Erkrankungen, Verletzungen und Behinderungen hervorgerufen werden bzw. Teil dieser sein.

„Schwerhörig“ und „Gehörlos“ sind Bezeichnungen, welche den teilweisen oder vollständigen Verlust der Hörfähigkeit beschreiben. Eine Schwerhörig- oder Gehörlosigkeit kann ein- oder beidseitig auftreten.

Viele schwerhörige und gehörlose Menschen kommunizieren über Gebärdensprache, eine visuelle Form der Sprache, welche sich aus Bewegungen mit den Händen, Mimik, Kopf- und Körperhaltung und Mundbewegungen zusammensetzt. Viele schwerhörige und gehörlose Menschen können außerdem Lippen lesen. So ist für die Kommunikation sowohl für die Betroffenen selbst als auch beim Gegenüber wichtig, das ganze Gesicht sehen zu können. Daher kann das Masketragen zum Problem werden, da durch die Masken wichtige Elemente der Gebärdensprache verunmöglicht werden und auch das Lippenlesen durch die Masken nicht möglich ist.

Wichtig

Bei den beschriebenen Erkrankungen, Symptomen und Reaktionen handelt es sich lediglich um beipielhafte Ausschnitte. Sie beruhen auf unseren Recherchen, eigenen Erfahrungen und Berichten anderer Betroffener. Die möglichen Einschränkungen können vielfältig sein und können bei verschiedenen Betroffenen variieren.

Habt ihr andere Erfahrungen mit den genannten Erkrankungen gemacht oder habt eine andere Erkrankung, aufgrund welcher ihr keine Maske tragen könnt? Dann schreibt uns und erzählt von euren Erfahrungen!

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